In der Formel 1 regiert die pure Verzweiflung. Alle Beteiligten wissen um den Schlamassel, in dem sich die Königsklasse des Motorsports befindet. Der Status Quo kann jedoch nicht mehr mit einzelnen Massnahmen aufgebrochen werden. Dafür ist es zu spät. Doch ein Rezept für einen Neuanfang fehlt bisher.
Wie ausweglos die aktuelle Situation ist zeigt ein vom deutschen F1-Journalisten Ralf Bach initialisiertes Gespräch am runden Tisch. Neben Chef-Promoter Bernie Ecclestone diskutieren Mercedes-Sportchef Toto Wolff und Red Bull-Teamchef Christian Horner Ideen, wie man der Misere begegnen könnte. Man muss noch nicht mal zu Ende lesen, um zu verstehen, weshalb die Formel 1 da ist wo sie momentan ist. Jeder denkt nur an sich, keiner an das grosse Ganze.
Technik
Die verbaute Technik in den Formel-1-Autos ist in den letzten Jahren immer komplexer geworden. Wie ist es also möglich, dass die Zuverlässigkeit trotzdem kontinuierlich gesteigert werden konnte? Ganz einfach: Mit mehr Präzision und Kontrolle. In der Saison 1997 zählte ein solides Mittelfeld-Team wie Jordan oder Sauber rund 130 Mitarbeiter, das Weltmeister-Team von Williams rund 240 Mitarbeiter. 2014 beschäftigte Sauber rund 300 Angestellte, die letztplatzierten Teams von Marussia und Caterham immer noch gegen 200 Mitarbeiter. Mit den finanziellen und personellen Ressourcen von heute hätten somit alle genannten Teams damals den Titel holen können.
Dieser über Jahre gereifte Perfektionismus, der von den grossen Herstellern zelebriert wird, stellt sich heute als Boomerang heraus. Die Strukturen wurden dermassen aufgeblasen, dass ein Betrieb mit weniger Ressourcen gar nicht mehr möglich ist.
Sport
Blenden wir für einmal Geld und Technik aus. Am Ende des Tages ist die Formel 1 ein Sport der in erster Linie Unterhaltung bieten muss. Die grosse Anhängerschaft rund um den Globus hat man sich über Jahrzehnte durch spektakuläre Rennen mit überragenden Siegern, tragischen Helden, heroisch kämpfenden Underdogs, verbunden mit vielen Emotionen erarbeitet. Was man mit Sicherheit sagen kann: Das Produkt ist in all den Jahren aus sportlicher Sicht nicht besser geworden. Was Beweis genug dafür ist, dass diese gigantischen finanziellen Ausgaben für guten Rennsport absolut unnötig sind.
Einer der wichtigsten Faktoren, der in all den Jahrzehnten für Gesprächsstoff gut war, ist nach wie vor das Überholen. Positionskämpfe und Überholmaneuver sind für den Motorsport wie die Tore im Fussball. Ohne diese macht es keinen Spass.
Zwei Dinge sind nötig, damit es zu spannendem Rennsport kommt: Chancengleichheit und Überraschungsmomente. Ersteres ist in der Formel 1 selten gegeben, also muss man voll auf die Karte der Unberechenbarkeit setzen. Was passiert, wenn beide Elemente wegfallen, hat die Formel 1 Anfang der 2000er Jahre (Ferrari/Schumacher-Dominanz), und in den letzten fünf Jahren (4x Red Bull/Vettel) zu spüren bekommen.
Es ist eine Illusion zu glauben, dass sich die Kräfteverhältnisse an der Spitze ändern. Wenn aber die unabhängigen Privatteams schon keine Chance haben finanziell und personell mitzuhalten, dann muss man ihnen zumindest auf der Strecke die Möglichkeit geben mit Effizienz, Cleverness und etwas Glück auch Ergebnisse einzufahren. Die Realität sieht so aus, dass in den letzten fünf Saisons lediglich zwei Teams (Force India und Sauber) ausserhalb der Top-5 in der Konstrukteurswertung überhaupt auf das Podium fahren konnten. Die Schere zwischen Topteams und Mittelfeld geht immer weiter auseinander und lässt den kleineren Mannschaften kaum noch etwas übrig.
Heute ist alles vorgeschrieben, was zu unterschiedlichen Rennverläufen führen kann: Motoren, Reifen und Strategien sind für alle gleich. Man kann ja vom Nachtanken sagen was man möchte, aber es führte immerhin zu unterschiedlichen Strategien und einigen Überholmaneuvern. Und das Taktieren, um möglichst reifenschonend ins Ziel zu kommen, ist ebenfalls kontraproduktiv.
Der Perfektionismus, der sich über die letzten Jahre entwickelt hat, ist gleichermassen verantwortlich für die ausser Kontrolle geratenen Kosten und für die fehlende Spannung auf der Strecke.
Geld
Die FOM und Bernie Ecclestone haben mit immer höheren Antrittsgeldern und Lizenzgebühren bei Streckenbetreibern und TV-Stationen den Teams fast jährlich mehr Geld in die Kassen gespült. Die Teams nahmen dankend an und investierten jeden Euro in Technik und Manpower. Was vor 20 Jahren noch als willkommener Zustupf galt, wurde zum fixen Teil des Jahresbudgets eines F1-Teams.
Wie sich leider herausstellt ist diese Entwicklung deshalb fatal, weil die Haupteinnahmequelle, das Sponsoring, praktisch im Begriff ist auszusterben. Wo früher ein Titelsponsor bei einem Topteam schon mal 30 Millionen Euro beisteuern konnte, kann man Unternehmen mit dieser Zahlungskraft mittlerweile fast nicht mehr für ein F1-Engagement begeistern. Augenscheinliches Beispiel ist das legendäre McLaren-Team, das seit zwei Jahren komplett ohne Hauptsponsor auftritt. Ganz zu schweigen von den kleineren Privatteams, die es ohne die Mitgift der Fahrer nicht mehr schaffen ein Jahresbudget zu stemmen.
Die trüben Aussichten auf dem Sponsoringmarkt setzen besonders den unabhängigen Privatteams zu, da diese im Gegensatz zu Werksteams wie Mercedes ohne finanzielle Unterstützung auskommen müssen. Der nächste Nackenschlag für die mittleren und kleinen Teams ist die ungleiche Aufteilung der Preisgelder. Während eine Staffelung gemäss dem sportlichen Abschneiden in der vergangenen Saison nachvollziehbar und logisch ist, kommt rund die Hälfte des Teilnehmerfelds in den Genuss von Zusatzzahlungen durch Ecclestones Vermarktungsgesellschaft FOM. Das deshalb, weil die grossen Teams wie Ferrari, Mercedes, McLaren oder Red Bull vor ein paar Jahren mit der Gründung einer Konkurrenzserie gedroht hatten, und Bernie Ecclestone für die genannten Teams erneut die Geldbörse öffnete – und diese so zu einem Verbleib in der Königsklasse überreden konnte.
Das Kapitel Finanzen wird um den traurigen Fakt ergänzt, dass die ständig steigenden Teilnahmegebühren zum Ausstieg traditionsreicher Strecken wie Imola, Magny-Cours oder dem Nürburgring geführt haben. Selbst Traditionskurse wie Monza sind Ecclestone nicht mehr heilig. Und weil die Veranstalter die horrenden Gebühren kaum mehr finanzieren können, steigen für die Zuschauer an der Rennstrecke die Ticketpreise ins Astronomische. Für ein Wochenendticket auf einer ungedeckten Tribüne bezahlt man 2015 in Österreich (Spielberg) rund 300 EUR – pro Person. Zusammen mit Unterkunft und Essen kann man sich ausrechnen, dass es dafür auch eine Woche Strandurlaub gibt.
Fazit
Wie viele andere Fans halte ich die Entwicklung, wie wir sie momentan in der Formel 1 erleben, für gescheitert. Aus diesem Grund habe ich die Initiative Save Our Formula unterzeichnet. Damit soll die aktuelle Unzufriedenheit gegenüber den Betreibern der Formel 1 zum Ausdruck gebracht werden. Weiter stellen die Initianten eine Agenda auf, in der die Bereiche sachlich aufgeführt werden, die angepasst werden müssen. Falls du ebenfalls interessiert bist unterzeichne die Petition oder erzähle (Hashtag #savingF1) von deinen Verbesserungsvorschlägen.
If you follow #F1 and support change: http://t.co/xh2RsHndej. I do, because I used to love diversity. #savingF1 pic.twitter.com/vRaGUTsLDj
— Michael Herb (@michael_herb) 4. Mai 2015
Foto © Bodolza
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